Kneipenphilosoph

Der Kneipenphilosoph
Ein Gruß aus der Ferne, aufgeschrieben am 4. Oktober 2025

„Fragen? Die sieben goldenen W der Kriminalistik? Nun, die Sieben ist eine der Märchenzahlen. Aber Fragen – tja, die waren schon immer verfänglich. Schätze, das alles entscheidende W ist das Warum, das Motiv also. Und da wird es schnell noch verfänglicher. Das Offenlegen des Motivs entblättert den Baum, läßt den Stamm sehen, sozusagen. Macht den Kaiser nackt, pustet die Nebelschleier weg, dringt durch den Rauch und läßt das Feuer sehen, und die Leute, die drum rum sitzen und es füttern. Menschen, herrje. Leute, gierige Leute, die sich Spiegel gebastelt haben, die sie wie Riesen aussehen lassen. Und das ist wirklich schon alles, wie im Märchen die Zwerge also, die in ihren unterirdischen Kammern Schätze hüten, Gold und Edelsteine und so weiter. Aber eigentlich ist es Angst, die Urangst, im Winter zu verhungern, die Urangst, in einem offenen Kampf keine Chance zu haben, die Urangst, ausgeschlossen sein, nicht zu genügen, weil man zu klein geraten ist, zu kurz, zu muskellos, zu häßlich. Alles in allem das Kleine-Männer-Syndrom. Welch ein Motiv, nicht wahr? Frauen? Nun, die Sache liegt ganz ähnlich, und Schönheit liegt nicht wirklich im Auge des Betrachters. Die Natur erzeugt Schönheit dem Zweck gemäß, und der heißt: Überleben. Frauen mit voluminösen Hinterteilen rennen schlecht davon, vor dem Säbelzahntiger oder der Feuerwalze eines Waldbrandes. Heißt, der Planet, die Mutter, optimiert; wer schnell rennen kann lebt länger. Und nicht mal fürs Kinderkriegen sind voluminöse Hinterteile ein wirklicher Vorteil. Die Urmutter? Ist wohl eher ein Symbol für genug Futter, also das Nicht-Verhungern-Müssen. Aber Fragen. Sie stapeln sich ja, wie immer, und wiederholen sich, und sind uralt. Und es kann gut sein, daß du ganz andere hast, als die hier folgenden. Also, kann es sein, zum Beispiel, daß Leute, die Fragen stellen verdächtig sind? Für die jeweiligen Fürsten? Obwohl, du hast recht, diese Sorte impliziert die gewünschte Antwort. So, daß die Frage an sich schon ein Betrug ist, eine Manipulation. Gar nicht so einfach, was? Die Zustimmung heischende Frage, die Ablehnung heischende Frage, immer ist es eine Entscheidung, die trennt. Was Feindschaft erzeugt. Könntest du mir vielleicht mal helfen? ist auch nicht wirklich eine Frage. Aufforderung mit implizierter Strafe, und sei es nur die, eingeschnappt zu sein. Hinzu kommt der unausgesprochene Vorwurf, daß du ein Faulpelz bist. Wie einfach ist dagegen die Frage des Ortsfremden nach dem Weg, eine geradezu ehrliche Frage ohne doppelten Boden, vielleicht jedenfalls. Sie kann aber eben so gut Vorwand sein, dich kennen zu lernen, oder dich zu überfallen. Tja, mein Lieber, man könnte sagen, fast nichts ist so, wie es aussieht. Es gibt immer eine Wand hinter der Wand, ein Bild hinter dem Bild. Und wenn dann so etwas wie: Was eigentlich ist Krieg? kommt, wird es recht schnell recht krude. Weil alles darin enthalten ist, zum Beispiel: Der Feind? Der Sieg? Die Niederlage? Und hinter all dem steht das goldenste W der Kriminalistik, das Warum, das Motiv. Oder eben: Wem nützt es? Tja, Haben und Sein. Womit wir wieder bei den Urängsten wären, du siehst, die Dinge drehen sich gern im Kreis, sozusagen immer um den Planeten herum. Hinter all diesen Ängsten steckt eine einzige Angst, und die heißt Tod. Und das weiß auch jeder. Obwohl, eigentlich ist ja das Sterben. Sie ist so groß, daß man lieber nicht darüber redet, so unausweichlich, daß jedes Leben einen Ausweg sucht, der Homo Sapiens eingeschlossen. Der Verlust des Ich in ein Irgendwas ginge ja noch. Aber der Verlust des Ich ins Nichts ist wie ein, ja was eigentlich? Ein endloser Horrorfilm wäre ja etwas. Selbst die Hölle mit ihren endlosen Orgien wäre ja etwas. Und Dantes Himmel ist am Ende ziemlich irdisch. Und die Offenbarung des Johannes ist es auch, die Stadt, der Würfel, der nicht irgendwo in der Luft herumhängt sondern ganz physisch auf dem Boden steht, dem von Mutter Erde. Man könnte auf den Gedanken kommen, daß unsere Kugel doch die Mitte aller Dinge ist, nicht wahr? Zumindest für uns, die wir ihre Kinder sind. Heißt, woher wir kommen ist einigermaßen klar, wohin wir allerdings gehen, tja. Da stellt sich schon die Frage, zum Beispiel, wozu das Übereinanderstapeln physischer Dinge, so als Lebensinhalt, gut sein soll. Und wenn dann so ein Krieg, zum Beispiel, um nichts weiter als das Haben geht, das Haben irgendwelcher Leute, dann drängt sich die Frage auf, für was eigentlich Volkes Söhne und Töchter im Schützengraben verrecken sollen.“