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Der Großvater und der Tod, neuer Erzählband aus Leipzig
Dass Thomas Bachmann vielseitig ist, ein politischer Autor und ein Multitalent, hat er schon häufig bewiesen. Die Liste ist lang, als Musiker, engagierter Liedermacher und Förderer junger Talente ist er hervorgetreten, sogar als Zeichner, vor allem aber als fein beobachtender Lyriker, als Erzähler und Herausgeber. So erscheint die von ihm im Verlag am Park herausgegebene Reihe politischer Lyrik „Schlafende Hunde“ seit nunmehr über 12 Jahren. In diesem Jahr gab es den achten, wie immer abwechslungs- und umfangreichen Band, wobei es dem Berliner Verlag zur Ehre gereicht, das „Stief- und Kellerkind Lyrik“ so unermüdlich wie unerschrocken in schöner Regelmäßigkeit zu „füttern“ und zu fördern.
Das neueste eigene Buch des Leipzigers Thomas Bachmann aber ist ein facettenreicher, gelungener und lesenswerter Erzählband mit neun, zum Teil umfangreichen Geschichten, die sowohl aktuell Gültiges und Persönliches, Historisches und Gegenwärtiges, Verschüttetes und Vergessenes reflektieren und in Zusammenhang bringen, rückerinnern und erhellen.
Es sind Alltags- und Lebensgeschichten, Erzählungen kleiner Leute, berührend, erhellend und ehrlich zugleich. Schon die an den Anfang gestellte Titelgeschichte liefert tiefe und berührende Einblicke, aussagestarke Erkenntnisse und Einsichten in ein Menschenleben, was es auszeichnet und letztlich ausmacht. In den folgenden acht Erzählungen beschreibt Bachmann Begegnungen mit einem Bäckermädchen ebenso plastisch und erhellend wie solche mit Bauern oder Polizisten (Vopos) in der Wendezeit.
Vor allem von Jugend und Herkunft, von Aufwachsen, Erwachsenwerden, Wanderung ist die Rede – „Ein Fischkopp in Sachsen“ – und stets sind es eindringliche, in die Tiefe gehende Lebenserfahrungen und Lebenswanderungen, wobei es Bachmann gelingt, diese stets im Alltagsgeschehen, beispielsweise auch in vermeintlich banalen, aber dennoch prägenden und unvergessenen Tramptouren berührend und nachvollziehbar zu schildern.
Es geht in Bachmanns Erzählband „Der Großvater und der Tod“ um Jugenderinnerungen und Umbrüche, um prägnante und prägende Ereignisse und Begegnungen, um Lebensabschnitte, um Teilnahme und Anteilnahme, Entwicklungen und Kämpfe, Umschichtungen und Verluste, um Sehnsüchte und Hoffnungen, und es geht um die Vergänglichkeit aller Dinge.
Gerd Puls
verlag am park – edition ost Verlag und Agentur GmbH
173 Seiten, ersch. 2023
18,00 Euro
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Um was es geht
Vom Pech und Glück kleiner Leute
Eine Erzählung für große Kinder nennt Thomas Bachmann sein Buch Um was es geht im Untertitel. Für die Glücklichen also, denkst du, die auch noch im hohen Alter von sich behaupten, ewig Kind geblieben zu sein. Und das in lausigen Zeiten wie diesen, die für die gebeutelten kleinen Leute schon immer und ewig lausig war im Sinne von eng und karg, hart und bedrückend.
Ein seltsames Ding, das mit dem Glück. Dabei ist es aber nie freudlos, nie ohne Hoffnung, Horizont und Zukunft, da es für die kleinen Leute einen Zusammenhalt gibt, spontane und selbstverständliche Hilfe, verlässliche Freundschaft, Füreinanderdasein, Zuversicht, Vertrauen, Solidarität, um es einmal so zu benennen. Und manchmal gibt eben auch Zufälle, spannende Überraschungen, unverhofftes Glück.
Brutale Erpressung, Ausbeutung, materielle Gier und Skrupellosigkeit stehen dem entgegen in Gestalt eines feisten, dreisten und bedrohlichen Schrotthändlers. Eine nicht immer harmlose Kindergeschichte in Gestalt einer Generationen- und Lebensgeschichte liefert Bachmann, die auch mal zurück blendet und dabei wichtige und wesentliche Momente in der kurzen Spanne eines Menschenlebens passieren lässt.
Dabei geht es eben auch darum, gewonnene Erfahrungen und Erkenntnisse weiterzugeben, die die ältere Generation im Positiven und vor allem auch im Negativen gemacht hat, vor allem im hässlichsten Gift des Naziwahns, seiner mörderischen Verfolgungen und seines Fratzenkrieges, wie der Autor es seinen älteren Protagonisten in den Mund legt. Was mag helfen gegen böse Zauberer, lässt er folgerichtig seine kindlichen Helden angstvoll überlegen. Mut, Überwindung, Standfestigkeit, Selbstvertrauen, Zusammenhalt mögen geeignete Mittel sein. Aufstehen, sich dagegen stemmen, sich nicht unterkriegen lassen.
Das alles vermitteln Bachmanns junge und ältere, doch junggebliebene Helden in ihrem alltäglichen Umgang miteinander, in ihren mitunter sorgenvollen, doch meist hilfreichen und zielführenden Überlegungen und den abenteuerlichen, aus der Not geborenen Unternehmungen, die keineswegs nur kindlich sind, so dass man sie kaum als blauäugig und oberflächlich abtun kann.
Dabei sind Handlung, Orte und Milieu realistisch, plastisch, nachvollziehbar und schlüssig gestaltet, die schnodderig ehrliche, dabei erfrischende Kinder- und Kleine-Leute-Sprache bleibt zeitlos, ist kein bisschen regionalgebunden und verzichtet getrost und souverän auf den pädagogischen Zeigefinger. Ein lebendiges Buch also, ein Buch aus dem Leben kleiner Leute. Eine Erzählung, die das Leben schreibt – immer wieder, zu jeder Zeit, in jeder Stadt – bei der der Leser am Ende nicht nur ahnt, was es mit dem Glück im Leben kleiner Leute auf sich hat.
Es gibt so einiges, was man nicht kaufen kann, lautet zum Beispiel die Erkenntnis des wachsamen, dabei hilfsbereiten, verlässlichen alten Mannes. Gute Gedanken gehören manchmal dazu. Die vermag der Autor überzeugend glaubhaft zu vermitteln. Es ist ein philosophisches Buch, zeitlos, ehrlich, solidarisch, erhellend und berührend. Eine Erzählung für Menschenkinder aller Altersgruppen.
Thomas Bachmann: Um was es geht; Eine Erzählung für große Kinder
Lychatz-Verlag, Leipzig
ISBN 978-3-942929-974-4
Gerd Puls
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Zu Thomas Bachmanns Gedichten
Thomas Bachmann ist ein Dichter mit großer lyrischer Fähigkeit, einerseits die gedankliche Tiefe in seinen Gedichten, ohne je reine Gedankenlyrik zu sein, andererseits ist dies immer verbunden mit der Sicherheit seines ganz eigenen Stils, der beim Leser Bewunderung als auch Wiedererkennen und Überraschung auslöst. Das ist große Kunst, die ihn als einen wichtigen Dichter seiner Generation ausweist. Hinzu kommt, und dies ist eine der wichtigsten Grundlagen seiner Dichtung: es bleibt immer sein plebejischer Blick, das Schauen von unten, der soziale Aspekt, die Sorge um den Zustand Welt.
Utz Rachowski
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Vagus und der schwarze Drache
Das Leben, ein märchenhaftes Reiseabenteuer
Weite Ozeane und fremde Fantasiewelten muss der Junge Vagus durchqueren, um das Mädchen Artis hinter den sieben Meeren und den sieben Bergen zu finden. Zahlreiche Abenteuer muss er bestehen, um die Gefahr zu bannen, die von dem schwarzen Drachen ausgeht, der die Welt mit seinem Feuer zu vernichten droht.
Fabelwesen, Ritter und Piraten, wilde Tiere, Trolle und Kobolde tummeln sich auf stattlichen 200 Buchseiten, und Thomas Bachmann gelingt es mit seinem märchenhaften Erzählduktus, die Neugier des Lesers zu wecken und wach zu halten. Mag kommen, was will.
Ein poetisches, ein vielschichtiges, unterhaltsames, optimistisches Märchen also, anregend und nachdenklich stimmend. Dennoch ist Vagus und der schwarze Drache kein normales, kein gewöhnliches, erst recht kein alltägliches Kinderbuch. Kriegswaffen aus einer mittelalterlichen Rüstkammer zeigt der Umschlag. Bachmanns Buch kommt im üblichen, soliden Gewand des Berliner Verlags Am Park daher, unterscheidet sich bei ersten Blick auf das Cover kaum von den Schlafenden Hunden, den Gedichtsammlungen, bei denen das Leipziger Allround-Talent bereits seit vielen Jahren als Herausgeber fungiert.
Auf Altersempfehlungen verzichtet Thomas Bachmann in seinem neuesten Werk zu Recht, auch junggebliebene Ältere lesen Vagus und der schwarze Drache mit Gewinn – oder vermitteln es der nachfolgenden Generation. Ein wunderbares Buch zum Schmökern, ebenso gut geeignet für kapitel- oder seitenweises Vorlesen für die Jüngsten, deren Fantasie noch nicht verschüttet, vielmehr entwicklungsfähig ist und nur wachgehalten werden muss.
Thomas Bachmann schafft es, den Leser mitzunehmen auf eine märchenhafte Abenteuer- und Lebensreise, die man durchaus auch politisch interpretieren darf. Handlung und Figuren lassen dabei im Kopf bekannte und gängige, zugleich aber eigene, unverbrauchte und zeitlos gültige Bilder entstehen, denen sich jüngere und ältere Leser getrost anvertrauen dürfen. Auf diese Weise beflügelt der Autor die Fantasie, erzeugt Spannung, macht Mut und mündig.
Unaufdringliche, sparsam verteilte, farblich zarte Illustrationen runden das Buch ab, lassen Raum für Fantasie und ergänzen den Text auf ihre Art. Thomas Bachmanns ist eben nicht nur Musiker, Komponist, bemerkenswerter Lyriker und nebenbei auch Grafiker. In diesem Fall erweist er sich darüber hinaus als phantasiereicher Fabulierer und unaufgeregter Erzähler, der seine Geschichte stringent und facettenreich voranbringt, dabei trefflich zu nuancieren vermag und feine Stimmungen und Schwingungen erzeugt. Bachmanns jüngstes Werk macht nachdenklich, gerade in dieser Zeit der Kriege und Krisen, der Gefährdungen, Verluste und großen Verwerfungen.
Dass es auch Hoffnung macht, belegt folgendes kleines Zitat: So ist das wohl, wenn man eine Gefahr überstanden hat. Dann scheint die Sonne besonders hell, das Gras ist besonders grün und der Himmel besonders blau. Und die Sommersprossen natürlich, die tanzen an einem solchen Morgen ganz besonders auf den Nasen herum, es kann einem wirklich schwindlig davon werden. Aber wenn man es genau bedenkt, so sind es natürlich nicht die Sommersprossen selbst, es ist die Liebe, die sie tanzen lässt.
Ohne Durchhaltevermögen, ohne Liebe und ohne verlässliche Freunde und Verbündete, lautet eine Bachmannsche Einsicht, lässt sich das Abenteuer Leben nicht bestehen. Gleichzeitig macht Vagus und der schwarze Drache auch jede Menge Spaß – ein berührendes, fantasiereiches, zugleich ehrliches und mutiges Buch – nicht nur für Kinderhände.
Thomas Bachmann: Vagus und der schwarze Drache, Eine Abenteuergeschichte für Kinder; Verlag am Park, Berlin, 18,–€; ISBN 978-389793-243-9
Gerd Puls